Familiennamen im Raum Weißenburg - Kapitel 6: Deutungskreuzungen

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6. Deutungskreuzungen

Ursprünglich hatte jeder Mensch nur einen Rufnamen. Als es in den Städten zu viele Personen mit dem gleichen Namen gab, entstanden ab dem 12. Jh. die Familiennamen. Heute haben die 100 Mill. deutschen Muttersprachler rund 80.000 verschiedene Familiennamen (ohne Schreibvarianten und fremdsprachige Namen). Um die vielen Hinz und Kunz voneinander zu unterscheiden, gab man ihnen Beinamen. Nachdem unsere Familiennamen aber schon 500 bis 700 Jahre alt sind, hat sich vielfach nicht nur ihre Schreibung mehrmals geändert, sondern kann der Sinn eines Namens mehrdeutig sein. Man spricht von Deutungskreuzungen.

Wüst konnte jemand genannt werden, weil er am Rande einer Wildnis, einer wüsten Gegend, wohnte – das gilt für die meisten – oder weil er ein wüster, wilder Kerl war. König ist entweder ein Übername für jemanden, der aus seiner Umgebung herausragte, z. B. als Schützenkönig, oder der in einem Schauspiel die Rolle des Königs hatte. Es konnte aber auch ein Bauer sein, der in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem Königsgut stand. Entsprechendes gilt für die Namen Kaiser, Herzog, Graf oder Fürst.

Beckler kann a) vom Ortsnamen Bockel abgeleitet werden (Böckler > Beckler) oder b) zu dem männlichen Tier, dem Bock, gestellt werden oder c) ein Berufsname sein für einen, der (Wasch-)Becken bzw. Tröge herstellte. Beckstein ist ein Ortsteil von Lauda bei Bad Mergentheim, kann aber auch von Bechstein (= quarzartiger Stein) abgeleitet sein. Brandt und Brandl können Kurzformen von Hildebrand sein, aber auch Wohnstättennamen für jemanden, der an einem ehem. Brandplatz wohnte. Fiegl kann a) zum Personennamen Vigilius gehören oder b) das Veilchen meinen (mundartlich Feigele) oder c) den Fiedelspieler, der auch Fieg(e)ler hieß. Fuchs konnte ein schlauer Mensch sein oder ein Rothaariger, aber auch von einem Hausnamen abgeleitet sein. Hirschmann bedeutet zunächst Sohn des Hirsch. Dieser Name kann sein a) ein Berufsübername für einen Jäger, b) ein Hausname oder c) ein jüdischer Familienname Hirsch. Lunz kann a) eine Ableitung zum Rufnamen Lundbert o. ä. sein oder b) zu lunzen = leicht schlummern gehören oder c) ein Wohnstättenname sein: Lunz = Spalt, Öffnung. Wer Heller heißt, kann ursprünglich aus Schwäbisch Hall kommen oder nach der Münze, dem Heller, seinen Namen haben, wobei diese ja nach der Stadt benannt wurde, weil sie dort geprägt wurde. Pflaumer passt zum einen zu Flaum für den Federhändler, zum anderen für den Obstgärtner.

Rottler und Rotter sind ebenfalls mehrdeutig: a) Rotte = Drehleier, b) Mitglied der Rottzunft, die für den Transport von Gütern zuständig war, c) Vorsteher einer kleinen Gemeinde mit zerstreuten Häusern, d) Anführer einer Schar (= Rotte) Soldaten, e) Ableitung zum Rufnamen Rothart o. ä.– da kann sich jeder Namensträger die Bezeichnung heraussuchen, die ihm am besten gefällt. Auch der Name des Weißenburger Oberbürgermeisters ist mehrdeutig: Schröppel kann man zu Schropp stellen, das ist ein rauer Besen bzw. ein raue Arbeit verrichtender Mensch. Als Schropp bezeichnete man aber auch einen Erdhügel (an dem der Betreffende wohnte); schließlich kann es sich auch um eine verkürzte Form des Rufnamens Schrotbald handeln. Specht kann ein Hausname sein, aber auch ein Übername für einen Schwätzer, den es – wie wohl in jeder Familie – z. T. bis heute gibt. Auch Strauß ist mehrdeutig: a) Vogel: Feder am Helm, Hausname, Wappen, b) mittelhochdeutsch struz = Widerstand, Streit, c) Strauch. Wolf schließlich bezieht sich wohl meist auf eine Kurzform eines mit Wolf- beginnenden Vornamens (z. B. Wolfgang, -hart,-ram), aber auch auf einen Menschen, dem man die Eigenschaften des Tieres zuschreibt, oder auf einen Hausnamen.

Literatur am Ende des letzten Artikels