Fachwerkbauten in Weißenburg - Mittelalter und frühe Neuzeit

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Fachwerkbauten

Judengasse; von den sieben sind vier Fachwerkhäuser zu erkennen

Als Fachwerkbauten im engeren Sinne bezeichnet man Gebäude, bei denen ein Rahmenwerk aus Holz als tragendes Gerippe errichtet wird. Die entstehenden Fächer (Gefachungen) wurden früher mit einem Stroh-Lehm-Gemisch gefüllt, heute (und in Norddeutschland von jeher) mit Ziegeln und inzwischen auch mit anderen modernen Baustoffen, die dann verputzt werden. Man unterscheidet vor allem zwischen der rein funktionalen Bauweise und der Schmuckfassade. In Weißenburg ist bei den Wohnhäusern das Erdgeschoss gemauert, das Obergeschoss bzw. der Giebel aus Fachwerk. Scheunen sind häufig auch im unteren Geschoss aus Fachwerk.

Verputzter Giebel, Pflastergasse 13

Im Gegensatz zum Steinhaus hat sich die Architektur des funktionalen Fachwerks in den letzten Jahrhunderten praktisch kaum verändert. Lediglich an den Ornamenten der Schmuckfassade eines Fachwerkhauses lassen sich modische Kennzeichen feststellen. Allerdings gibt es z. T. erhebliche landschaftliche Unterschiede. Die Weißenburger Gegend gehört zum sog. mitteldeutschen oder fränkischen Raum, der vom Elsass über die Pfalz, Hessen, Thüringen, Sachsen und Schlesien reicht und auch das ehemals deutsch besiedelte Sudetenland (heute Teil der Tschechischen Republik) umfasst. Das niederdeutsche Fachwerkhaus reicht von den Niederlanden bis Ostpreußen (heute Teil von Russland). In Oberschwaben, Südbayern und Österreich ist das Fachwerkhaus als Wohnhaus nur selten zu finden, in der Schweiz gelegentlich, es sei denn, man nimmt die ganz aus Holz errichteten Obergeschosse der alpenländischen Bauernhäuser mit ihrem tragenden Fachwerk mit hinzu.

Früher wurde das einfach gestaltete Fachwerkhaus verputzt, wie das am Haus Pflastergasse 13 noch gut nachzuvollziehen ist: Die Auflagebalken des Giebels sind ebenso zu erkennen wie die Kehlbalken im Dachstuhl. Hauptgrund für das Verdecken mit einer Putzschicht war natürlich, die Gefachung besser vor Feuchtigkeit und Schädlingen zu schützen als bei freiliegendem Fachwerk. Damit der Putz besser hält, wurde die Oberfläche des Holzes aufgeraut, indem man Kerben hineinschlug. Bei später freigelegtem Fachwerk sind diese Kerben heute noch deutlich zu erkennen. Oft sollte mit dem Verputzen aber auch der Eindruck erweckt werden, es handele sich um ein ganz aus Stein gemauertes Gebäude. Als späte Reaktion der Romantik kam es zu Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts in Mode, verputztes Fachwerk freizulegen. So schuf man neben den von jeher als Schmuckfachwerk angelegten Giebeln eindrucksvolle Gruppen von Fachwerkhäusern, die den Charme eines mittelalterlichen Städtchens vermittelten. Die größte Fachwerkhäusergruppe (Ensemble) befindet sich in Weißenburg in der Judengasse in Höhe der Schranne mit sieben Gebäuden in unmittelbarer Nachbarschaft.

Im nachfolgenden Text liegt die Betrachtung auf den Fassaden, da dem Durchschnittsbürger ein Zugang ins Innere der meisten Gebäude nicht möglich ist. Trotzdem soll ihm ein Wegweiser an die Hand gegeben werden, Typisches an Weißenburger Fachwerkhäusern zu erkennen. Sowenig wie bei den Artikeln in Wugwiki über die einzelnen Baustile in Weißenburg, ist hier eine Vollständigkeit der Objekte angestrebt, sondern vielmehr sollen einige typische Beispiele aufgezeigt und kurz erklärt werden. Nähere Einzelheiten sind vor allem in den unten angegebenen Quellen bei HÄFFNER und KIESSLING zu finden.

Mittelalterliche und frühneuzeitliche Fachwerkhäuser in Weißenburg

Kennzeichen mittelalterlicher Fachwerkhäuser sind u. a. die Verwendung von Eichenholz, die Konstruktion mit sich überkreuzenden Kopf- und Fußstreben, wie dies am Haus Rosenbühl 6 oder Luitpoldstr. 22 gut zu erkennen ist [1] und die ursprünglich gelbe Farbgebung bei Nadelholzfachwerk.

Eines der ältesten Weißenburger Fachwerkhäuser (um 1446) steht in der Huttergasse 13. Das kleine Eckhaus mit Erker eines früheren Handwerkers ist ein gotisches Ständerhaus mit auskragendem Fachwerkgiebel, d. h. es ist auch im Erdgeschoss und 1. Stock ein Fachwerkgebäude mit Eichenholzständern in den Außenwänden. Eine Freilegung erschien bei der 1984-87 mustergültig durchgeführten Sanierung jedoch nicht empfehlenswert.

Ein eindrucksvoller Bau ist die alte Lateinschule, das Mesnerhaus am Martin-Luther-Platz 9. Der zweigeschossige Bau ist im Erdgeschoss gemauert und ab dem 1. Stock als Fachwerk ausgeführt. Das Haus stammt aus der Zeit um 1580, letzte Renovierung 2015. Im 16. Jahrhundert war gelbes Fachwerk weit verbreitet. Die Gefachung ist hellocker und durch dunkelrote Schattenfugen abgesetzt.

Einer der wenigen Fachwerkgiebel aus Eichenholz steht Am Hof 5. Bei der Stadtsanierung in diesem Bereich (1983/85) wurde das alte Haus (ehem. Schmiede im Erdgeschoss) abgetragen, die Balken wurden nummeriert, wie noch heute bei genauem Hinsehen zu erkennen ist, und auf das neu errichtete Gebäude gesetzt. So entstand ein modernes Haus mit einem "alten Gesicht". Die Zimmermänner im Mittelalter benutzten fast ausschließlich Eichenholz. Dieses konnte man ohne Anstrich verwenden. Erst um 1500 kam Nadelholz zum Einsatz. Es war günstiger zu bekommen und ein schneller nachwachsender Rohstoff. Der Unterschied zeigte sich oft erst nach vielen Jahrzehnten: Eichenholzfachwerk wird mit der Zeit zunehmend dichter und härter und erreicht beinahe die Stabilität und Tragkraft von Eisen. Fachwerk aus Nadelhölzern hingegen weicht mit der Zeit auf. Als Abhilfe dagegen wurde das Nadelholzfachwerk mit Farbe gestrichen.

Ein im Kern aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts stammendes Bürgerhaus steht am Rosenbühl 6. Wie oben erwähnt, sind die sich überkreuzenden Kopf- und Fußstreben ein Kennzeichen des hohen Alters, der dreifach vorkragende Giebel ein weiteres, denn im Mittelalter wurde die Grundsteuer nach der Grundfläche im Erdgeschoss berechnet.

Quellen:

BEIER, Ulf: Von der Höll- zur Paradeisgasse, Straßen- und Wohnstättennamen in Weißenburg, 2. Auflage, Weißenburg 2000

HÄFFNER, Hans-Heinrich: Das Weißenburger Bürgerhaus - seine Entwicklung vom Spätmittelalter bis ins 18. Jahrhundert, in: Denkmäler in Bayern, Band V.70/2 Stadt Weißenburg i. Bay., München 2001, ISBN 3-87490-582-9

KIESSLING, Gotthard: Denkmäler in Bayern, Band V.70/2 Stadt Weißenburg i. Bay., München 2001, ISBN 3-87490-582-9

Fußnoten

  1. Näheres s. Häffner, Hans-Heinrich, Quelle 2, S. CXV