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Zeitzeugen 1945-1948 (6)  - Leben im „Flüchtlingslager“ auf der Wülzburg
 
Zeitzeugen 1945-1948 (6)  - Leben im „Flüchtlingslager“ auf der Wülzburg
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1946 begann die organisierte Massenvertreibung der über 3 Millionen Deutschen aus dem Sudetenland. Hinzu kamen die Flüchtlinge und Vertriebenen aus Schlesien, Ostpreußen, Pommern usw. (zusammen 14 Millionen Menschen, von denen 2 Millionen ums Leben kamen). So wurden Hunderte von Lagern in Restdeutschland errichtet, um von diesen wiederum die gewaltigen Menschenströme der Flüchtlinge und Vertriebenen zu lenken. Eines davon war das Landkreislager auf der Wülzburg, von dem man die Menschen auf die einzelnen Gemeinden – meist Dörfer – verteilte in der Hoffnung, es bald wieder auflösen zu können, weil die Flüchtlinge in ihre Heimatgebiete zurückkehren könnten.  Dies stellte sich jedoch als Fehleinschätzung heraus.
 
1946 begann die organisierte Massenvertreibung der über 3 Millionen Deutschen aus dem Sudetenland. Hinzu kamen die Flüchtlinge und Vertriebenen aus Schlesien, Ostpreußen, Pommern usw. (zusammen 14 Millionen Menschen, von denen 2 Millionen ums Leben kamen). So wurden Hunderte von Lagern in Restdeutschland errichtet, um von diesen wiederum die gewaltigen Menschenströme der Flüchtlinge und Vertriebenen zu lenken. Eines davon war das Landkreislager auf der Wülzburg, von dem man die Menschen auf die einzelnen Gemeinden – meist Dörfer – verteilte in der Hoffnung, es bald wieder auflösen zu können, weil die Flüchtlinge in ihre Heimatgebiete zurückkehren könnten.  Dies stellte sich jedoch als Fehleinschätzung heraus.
 
Meist waren die Menschen (überwiegend Mütter mit Kindern und alte Leute, unterdurchschnittlich wenig Männer im arbeitsfähigen Alter) nur einige Wochen im Lager. Aber so war auf der Wülzburg ein ständiges Kommen und Gehen, und es lebten gelegentlich über 1000 Menschen gleichzeitig hier. Insgesamt sind wohl 7.500 bis 8.000 Personen durchgeschleust worden. Die hygienischen Verhältnisse waren entsprechend schlecht. Wanzenplagen waren die Folge. Es gab zu wenig Wasser und keine Kläranlage. So brach viermal Typhus aus und zweimal wurde über das Lager eine Quarantäne verhängt. Der Krankenstand war überdurchschnittlich hoch (bis zu 30 %).
 
Meist waren die Menschen (überwiegend Mütter mit Kindern und alte Leute, unterdurchschnittlich wenig Männer im arbeitsfähigen Alter) nur einige Wochen im Lager. Aber so war auf der Wülzburg ein ständiges Kommen und Gehen, und es lebten gelegentlich über 1000 Menschen gleichzeitig hier. Insgesamt sind wohl 7.500 bis 8.000 Personen durchgeschleust worden. Die hygienischen Verhältnisse waren entsprechend schlecht. Wanzenplagen waren die Folge. Es gab zu wenig Wasser und keine Kläranlage. So brach viermal Typhus aus und zweimal wurde über das Lager eine Quarantäne verhängt. Der Krankenstand war überdurchschnittlich hoch (bis zu 30 %).
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Die Unterbringung so vieler Menschen auf so engem Raum verlangte nicht nur eine Lagerleitung mit einem Mitarbeiterstab, sondern auch ständige Kontrollen, dass die Hausordnung auch beachtet wurde. Die Lagerorganisation bestand aus dem Leiter, Heinz Gabrisch, selbst Vertriebener aus Oberschlesien, einer Lagerküche, mehreren Handwerkern sowie einem Sanitätsbereich mit einem Lagerarzt, Dr. Karl Platzek, zwei Krankenschwestern und einem Sanitäter.
 
Die Unterbringung so vieler Menschen auf so engem Raum verlangte nicht nur eine Lagerleitung mit einem Mitarbeiterstab, sondern auch ständige Kontrollen, dass die Hausordnung auch beachtet wurde. Die Lagerorganisation bestand aus dem Leiter, Heinz Gabrisch, selbst Vertriebener aus Oberschlesien, einer Lagerküche, mehreren Handwerkern sowie einem Sanitätsbereich mit einem Lagerarzt, Dr. Karl Platzek, zwei Krankenschwestern und einem Sanitäter.
 
Die Heimatlosen waren meist in Gemeinschaftssälen untergebracht, oft nur mit einer Wolldecke von den Nachbarn getrennt, oder in Räumen mit 15 – 45 Personen in Stockbetten. Es gab praktisch keine Privatsphäre. Jung und Alt, Säuglinge und Kränkelnde, zerrissene Familien und Einzelgänger wohnten auf engstem Raum nebeneinander. Da waren Konflikte unvermeidbar, z. B. beim Beheizen der Öfen, für die das Brennmaterial im Wald beschafft werden musste, oder dem Saubermachen. Es fehlte an Schränken und Abstellflächen für die wenigen Habseligkeiten, die einem von den Vertreiberstaaten gelassen wurden (z. B. durften die Sudentendeutschen höchsten 50 kg pro Person mitnehmen). Ein großes Problem war auch das Wäschewaschen. Es gab ja weder selbsttätige Waschmittel noch Waschmaschinen. Das Trocknen und Bügeln war äußerst schwierig, Wäschediebstahl keine Seltenheit. Für viele Menschen, vor allem für alte, waren die Schikanen vor und die Strapazen bei der Vertreibung (z. B. im Winter in unbeheizten Viehwagen) zu groß. Sie sind dann im Lager – neben einem – gestorben.
 
Die Heimatlosen waren meist in Gemeinschaftssälen untergebracht, oft nur mit einer Wolldecke von den Nachbarn getrennt, oder in Räumen mit 15 – 45 Personen in Stockbetten. Es gab praktisch keine Privatsphäre. Jung und Alt, Säuglinge und Kränkelnde, zerrissene Familien und Einzelgänger wohnten auf engstem Raum nebeneinander. Da waren Konflikte unvermeidbar, z. B. beim Beheizen der Öfen, für die das Brennmaterial im Wald beschafft werden musste, oder dem Saubermachen. Es fehlte an Schränken und Abstellflächen für die wenigen Habseligkeiten, die einem von den Vertreiberstaaten gelassen wurden (z. B. durften die Sudentendeutschen höchsten 50 kg pro Person mitnehmen). Ein großes Problem war auch das Wäschewaschen. Es gab ja weder selbsttätige Waschmittel noch Waschmaschinen. Das Trocknen und Bügeln war äußerst schwierig, Wäschediebstahl keine Seltenheit. Für viele Menschen, vor allem für alte, waren die Schikanen vor und die Strapazen bei der Vertreibung (z. B. im Winter in unbeheizten Viehwagen) zu groß. Sie sind dann im Lager – neben einem – gestorben.
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Ein weiteres großes Problem war die Verpflegung dieser Mittellosen. Der Tagessatz lag bei 1.276 kcal – bestehend aus meist minderwertigen Lebensmitteln. Das hieß Hunger, was vor allem für die Kleinkinder ein ganz großes Problem war. Betteln und Gelegenheitsarbeiten bei den Bauern der Umgebung für ein paar Kartoffeln waren der Alltag. Die Lebensmittelkarten mussten für die Lagerküche abgegeben werden, von der man dann kostenlos verpflegt wurde. Diese wurde jedoch von allen als schlecht bezeichnet. Meist gab es nur Suppen.  
 
Ein weiteres großes Problem war die Verpflegung dieser Mittellosen. Der Tagessatz lag bei 1.276 kcal – bestehend aus meist minderwertigen Lebensmitteln. Das hieß Hunger, was vor allem für die Kleinkinder ein ganz großes Problem war. Betteln und Gelegenheitsarbeiten bei den Bauern der Umgebung für ein paar Kartoffeln waren der Alltag. Die Lebensmittelkarten mussten für die Lagerküche abgegeben werden, von der man dann kostenlos verpflegt wurde. Diese wurde jedoch von allen als schlecht bezeichnet. Meist gab es nur Suppen.  
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Neben den Hunger trat die seelische Belastung: Wo ist mein Mann, mein Sohn? Wo finde ich eine Wohnung, eine Arbeit? Der Winter steht vor der Tür. Mein Kind ist krank und unterernährt. Woher ein Paar Schuhe für mein Kind? So kamen bei vielen Menschen neben dem Trauma des Heimatverlustes und gesellschaftlichen und beruflichen Abstiegs auch Depressionen dazu: Der Bürgermeister war Hilfsarbeiter, die Dozentin an der Lehrerinnenbildungsanstalt war Küchenhilfe, der Unternehmer war Steinbrucharbeiter usw.
 
Neben den Hunger trat die seelische Belastung: Wo ist mein Mann, mein Sohn? Wo finde ich eine Wohnung, eine Arbeit? Der Winter steht vor der Tür. Mein Kind ist krank und unterernährt. Woher ein Paar Schuhe für mein Kind? So kamen bei vielen Menschen neben dem Trauma des Heimatverlustes und gesellschaftlichen und beruflichen Abstiegs auch Depressionen dazu: Der Bürgermeister war Hilfsarbeiter, die Dozentin an der Lehrerinnenbildungsanstalt war Küchenhilfe, der Unternehmer war Steinbrucharbeiter usw.
 
Nur wer Nichtraucher war, hatte bis zur Währungsreform 1948 die Möglichkeit, etwas gegen Zigaretten einzutauschen. Wertsachen oder Reichsmark hatte man selbst nicht mehr.
 
Nur wer Nichtraucher war, hatte bis zur Währungsreform 1948 die Möglichkeit, etwas gegen Zigaretten einzutauschen. Wertsachen oder Reichsmark hatte man selbst nicht mehr.
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Erst allmählich besserten sich die Verhältnisse. Allerdings stieg auch die Verweildauer auf der Wülzburg ständig. 1948 hatte sich die Zahl der Lagerbewohner auf etwa 500 eingependelt. Jetzt war etwas mehr Platz, und es konnte auch eine zweiklassige Volksschule eingerichtet werden. Leiter war der spätere Rektor Emanuel Demel. Auch wurden regelmäßig katholische und evangelische Gottesdienste in der Burgkapelle angeboten oder Erstkommunion gefeiert.
 
Erst allmählich besserten sich die Verhältnisse. Allerdings stieg auch die Verweildauer auf der Wülzburg ständig. 1948 hatte sich die Zahl der Lagerbewohner auf etwa 500 eingependelt. Jetzt war etwas mehr Platz, und es konnte auch eine zweiklassige Volksschule eingerichtet werden. Leiter war der spätere Rektor Emanuel Demel. Auch wurden regelmäßig katholische und evangelische Gottesdienste in der Burgkapelle angeboten oder Erstkommunion gefeiert.
 
Das gesellschaftliche Leben entwickelte sich zusehends, je länger die Leute auf der Wülzburg bleiben mussten. So gab es Fußball- und Handballspiele, Chorsingen, Nikolausfeiern, Faschingsbälle, Sonnwendfeiern, Konzerte oder Filmvorführungen. Für die Alten wurde ein Altersheim eingerichtet, und später gab es sogar einen Wasch- und einen Baderaum, nicht üppig, aber schon ein gewaltiger Fortschritt, bis im Oktober 1952 das Lager aufgelöst werden konnte.
 
Das gesellschaftliche Leben entwickelte sich zusehends, je länger die Leute auf der Wülzburg bleiben mussten. So gab es Fußball- und Handballspiele, Chorsingen, Nikolausfeiern, Faschingsbälle, Sonnwendfeiern, Konzerte oder Filmvorführungen. Für die Alten wurde ein Altersheim eingerichtet, und später gab es sogar einen Wasch- und einen Baderaum, nicht üppig, aber schon ein gewaltiger Fortschritt, bis im Oktober 1952 das Lager aufgelöst werden konnte.
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Durch das Lager Wülzburg hat der damalige Landkreis Weißenburg überdurchschnittlich viele Flüchtlinge und Heimatvertriebene aufgenommen, sie machten etwa 24 % der Bevölkerung aus. Diese gewaltige Zunahme hatte riesige Wohnungs- und soziale Probleme zur Folge. Es kamen aber meist gut ausgebildete, arbeitswillige, fleißige Menschen, von denen die Mehrzahl von sich aus versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. So stellten sich verhältnismäßig rasch große wirtschaftliche Erfolge ein, die bis heute die Region mitprägen. Und auch der kulturelle, gesellschaftliche und bildungspolitische Einfluss ist nicht zu unterschätzen.
 
Durch das Lager Wülzburg hat der damalige Landkreis Weißenburg überdurchschnittlich viele Flüchtlinge und Heimatvertriebene aufgenommen, sie machten etwa 24 % der Bevölkerung aus. Diese gewaltige Zunahme hatte riesige Wohnungs- und soziale Probleme zur Folge. Es kamen aber meist gut ausgebildete, arbeitswillige, fleißige Menschen, von denen die Mehrzahl von sich aus versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. So stellten sich verhältnismäßig rasch große wirtschaftliche Erfolge ein, die bis heute die Region mitprägen. Und auch der kulturelle, gesellschaftliche und bildungspolitische Einfluss ist nicht zu unterschätzen.
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Siehe auch:  Dr. Dr. [[Friedrich Eigler]], [[Adolf Hochmuth]],[[ Reiner Joppien]],  Dr. [[ Otto Lehovec]], [[Franz Liebl]], [[Josef Lidl]],  [[Helmut Meier]],  [[Erwin Schulhoff]], [[Haus Kaaden]],  [[Sudetendeutsche Landsmannschaft]] [[Datei:WülzburgMahnmal.JPG|miniatur|Mahnmal an die Vertreibung nach dem 2. Weltkrieg]]
 
Siehe auch:  Dr. Dr. [[Friedrich Eigler]], [[Adolf Hochmuth]],[[ Reiner Joppien]],  Dr. [[ Otto Lehovec]], [[Franz Liebl]], [[Josef Lidl]],  [[Helmut Meier]],  [[Erwin Schulhoff]], [[Haus Kaaden]],  [[Sudetendeutsche Landsmannschaft]] [[Datei:WülzburgMahnmal.JPG|miniatur|Mahnmal an die Vertreibung nach dem 2. Weltkrieg]]
 
    
 
    
Quellen: König, Walter: Flüchtlingslager Wülzburg. Ankunft und Integration der Heimatvertriebenen in Weißenburg, Weißenburg 1990
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== Quellen: ==
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König, Walter: Flüchtlingslager Wülzburg. Ankunft und Integration der Heimatvertriebenen in Weißenburg, Weißenburg 1990
 
Frank, Rainer: Die Heimatvertriebenen im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, Weißenburg 1991
 
Frank, Rainer: Die Heimatvertriebenen im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, Weißenburg 1991
 
Berichte und Gespräche von Emanuel und [[Gerold Demel]], Herbert Müller und [[Otto Stiepak]] (alle aus dem  Sudetenland) und [[Josef Reinfuss]] (aus Alt Sandez, Südpolen) mit [[Ulf Beier]].
 
Berichte und Gespräche von Emanuel und [[Gerold Demel]], Herbert Müller und [[Otto Stiepak]] (alle aus dem  Sudetenland) und [[Josef Reinfuss]] (aus Alt Sandez, Südpolen) mit [[Ulf Beier]].

Version vom 2. September 2017, 13:07 Uhr

Benutzer:Ubeier Inhaltsverzeichnis

1 über mich 1.1 bereits bearbeitete Themen 2 Konfessionsbild 3 Geschichte

über mich

Jahrgang 1941, in Weißenburg seit 1971; verheiratet, zwei Söhne, vier Enkel

im Ruhestand, vorher Studienrat an der Realschule Weißenburg


bereits bearbeitete Themen

2011: Altmühl, Brombachsee, Igelsbachsee, Hahnenkammsee, Schwäbische Rezat, J.Lidl, Fr. Liebl, 2012: Dr. Otto "Leo", FLeppa, E.Model, Ergänzung Dettenheim u. R. Nebel, Friedrich-Ebert-Str., J.Schieder, G.Demel, Anlauter, 5 Artikel v.H. Spitschka, Rennweg, SL WUG, Wohnstättennamen, Wülzbg.-Gedenkst., Heimatbücherverz., Bahnhofstr., Karl IV., Landschaftsbild, 4 Artikel Mundart (Mertens), 2013: 3 Artikel über die Schambach, HNavratil, StHedwigMB, Erzgeb.stub. GUN, OBSchwirzer, Hist. Stammtisch (40), Exulantennamen, WUG-SEB, OStiepak, RainMesserer, Bombard. Wßbg., 5 Zeitzeugenberichte (50), Papp.Ehrenbg., Ergänzg. Wßbg.Bgm., AlBinkert, JohMertens, TreuchtlMöhrenb., EBW, StrN m. Bez. zu Vertreibg., Schulzentrum, Stichvillapark, E.-Schulhoff-Str. (60), Einwohnerzahlen aktualisiert ab 1960, Patensch., 2x RSWUG, AHochmuth, MWenz, Wßbg. FlN 1-4 (70), RJoppien, JZörkler, Gesch. Bez. WUG-Sudeten, 3x Europ. Hauptwasserscheide, 3x Name Wßbg. eur. Vgl., MRaab (80), JMang, FEigler, WBlendinger, Namensvett. Bergen, Ellingen, 2 Nennsl. Kirchen, Treuchtlg.-Mahnm., Wehrkirch., 2014: JosReinfuss (90), Stadtmauer 19.Jh., Stadtm. 1950-2014, HSturm, HMeier, WLangenf., FrSchäfer, Neudf., Stadtweiher, BBuff, Muhr-St. Walbg. (100), Stadelh., -Namensv., Markh., Seeweiherm., Spitalk., Kirchenbaut.(3), Ergänz. AmHof, 2015: Silberm. (110), Galgenb.4x, JNachtmn., Mesnerh., Brbg.Hof, Zehenth., Ludw.hö., H.Kaad. (120), RegKryw., Kath.Bg., SWillib., Kl.Wßbg. Baustilk. (11 Artikel), Fachw.6x (140), Erg. BlHaus, Schöna, AndrOrgel, AMöd (Okt. 2015)(m.eigens im Inhaltsverz. vermerkten Untertiteln b. d. Weihern, Pappenh. Ehrenbürgern usw. 170 (Dez. (2015), NeuesH., Stichv., UrsGräf.Papp., Dr20. 10 Fam.nam., Trchtlg.Erg. (185 Artikel Feb. 2017)

Beispiel: Fotoanordnung

Nennslingen

Heilig-Kreuz


Quellen:

BEIER, Ulf: Von der Höll- zur Paradeisgasse, Straßen- und Wohnstättennamen in Weißenburg, 2. Auflage, Weißenburg 2000, S. 33 abcKonfessionsbild

Auf der Nordseite der Kirche findet sich mit dem Konfessionsbild eine Besonderheit, die an die "Confession Augustana" erinnert. Das Bild zeigt als Mittelstück die liturgischen Handlungen der evangelisch-lutherischen Kirche sowie als linke Seitenbilder die alttestamentarischen Szenen Passahmahl und Auszug aus Ägypten, rechts das Abendmahl mit Jesus und darunter, die Überreichung der Confessio Augustana auf dem Augsburger Reichstag von 1530: Der Kurfürst von Sachsen übergibt zusammen mit den Vertretern von fünf weiteren Reichsfürsten und von sechs Reichsstädten Kaiser Karl V. die Bekenntnisbücher. Unter den Vertretern der Reichsstädte ist auch der von Weißenburg. Neben dem Weißenburger Konfessionsbild gibt es nur noch fünf in evangelischen Kirchen Bayerns. Ein ähnliches Bild befindet sich auch in Augsburg in dem Raum, in dem der Reichstag stattfand. Das Bild in Augsburg ist nicht öffentlich zugänglich.


accSo entstanden durch Betriebe von Heimatvertreibenen und Sowjetzonenflüchtlingen nach 1945 etwa 380 neue Arbeitsplätze in Treuchtlingen.Zörkler, Johann in Heimatbuch Treuchtlingen, Treuchtlingen 1984, S. 191 Die konfessionelle Zusammensetzung verschob sich durch die überwiegend katholischen Sudetendeutschen zwischen Evangelischen und Katholiken von 7:3 zu 6:4. Aus der ehemaligen Eisenbahnerstadt wurde nach dem 2. Weltkrieg zunehmend eine Betriebs-, Wohn - und Erholungsgemeinde. Abre auch als Schulstandort ist Treuchtlingen bedeutsam. Neben der Grundschule und der 1971 in Betrieb genommenen Gesamtschule hat es auch eine Berufsschule und Geschichte

Ebenso wie Weißenburg wurde der Ort von Kelten, Römern und Franken besiedelt. Die Stadt wird erstmals 899 (als Drutelinga) urkundlich erwähnt und 1044 als Heiratsgut von Agnes mit Kaiser Heinrich III. genannt. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts wurde die erste Burg Treuchtlingen errichtet, welche 1340 von Ulrich und Wirich von Treuchtlingen gekauft und schließlich bewohnt wurde.[1] (Die Burgruine wird seit Mitte der 1970er Jahre durch einen Förderverein betreut und teilweise rekonstruiert.) Um das Jahr 1400 wurde Treuchtlingen zum Markt erhoben. 1495 brannte der Marktflecken größtenteils nieder. Nach dem Tod Gottfried Heinrichs Graf zu Pappenheim in der Schlacht bei Lützen 1632 und dem Erlöschen der Treuchtlinger Linie (1647) kam Treuchtlingen an die Markgrafen von Ansbach und 1809 an das Königreich Bayern.

1869 wurden die Bahnstrecken Treuchtlingen-Gunzenhausen und Treuchtlingen-Pleinfeld eröffnet.[2] 1906 die Strecke nach Donauwörth. Treuchtlingen wurde zur Eisenbahnergemeinde und nach dem 1. Weltkrieg auch Stadt. In der Reichspogromnacht 1938 wurde fast die gesamte jüdische Gemeinde der Stadt vertrieben. Treuchtlingen war am 23. Februar 1945 von der Operation Clarion schwer betroffen. Große Teile der Stadt wurden in Schutt und Asche gelegt. Ein weiterer schwerer Angriff erfolgte am 11. April 1945 mit etwa 500 Bomben auf die Stadt. Insgesamt 487 Menschen verloren ihr Leben, die meisten waren Zivilisten. 1961 wurde eine Kriegsgräberstätte am Nagelberg für die nicht aus Treuchtlingen stammenden Opfer errichtet. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Stadt und ihre heutigen Ortsteile für viele Heimatvertriebene aus dem deutschen Osten erste Aufnahmestation. So entstanden durch Betriebe von Heimatvertriebenen und Sowjetzonenflüchtlingen nach 1945 etwa 380 neue Arbeitsplätze in Treuchtlingen. [3] Die konfessionelle Zusammensetzung verschob sich durch die überwiegend katholischen Sudetendeutschen zwischen Evangelischen und Katholiken von 7:3 zu 6:4. Aus der ehemaligen Eisenbahnerstadt wurde nach dem 2. Weltkrieg zunehmend eine Betriebs-, Wohn- und Erholungsgemeinde. Aber auch als Schulstandort ist Treuchtlingen bedeutsam. Neben der Grundschule und der 1971 in Betrieb genommenen Gesamtschule hat es auch eine Berufsschule und am "Adventure Campus" Managementstudiengänge für Sport, Tourismus/Hotel und Musik/Kultur.

Reginhards Burgen www.treuchtlingen.de, Unsere Stadt Zörkler, Johann in Heimatbuch Treuchtlingen, Treuchtlingen 1984, S. 191

Zeitzeugen 1945-1948 (6) - Leben im „Flüchtlingslager“ auf der Wülzburg

1946 begann die organisierte Massenvertreibung der über 3 Millionen Deutschen aus dem Sudetenland. Hinzu kamen die Flüchtlinge und Vertriebenen aus Schlesien, Ostpreußen, Pommern usw. (zusammen 14 Millionen Menschen, von denen 2 Millionen ums Leben kamen). So wurden Hunderte von Lagern in Restdeutschland errichtet, um von diesen wiederum die gewaltigen Menschenströme der Flüchtlinge und Vertriebenen zu lenken. Eines davon war das Landkreislager auf der Wülzburg, von dem man die Menschen auf die einzelnen Gemeinden – meist Dörfer – verteilte in der Hoffnung, es bald wieder auflösen zu können, weil die Flüchtlinge in ihre Heimatgebiete zurückkehren könnten. Dies stellte sich jedoch als Fehleinschätzung heraus. Meist waren die Menschen (überwiegend Mütter mit Kindern und alte Leute, unterdurchschnittlich wenig Männer im arbeitsfähigen Alter) nur einige Wochen im Lager. Aber so war auf der Wülzburg ein ständiges Kommen und Gehen, und es lebten gelegentlich über 1000 Menschen gleichzeitig hier. Insgesamt sind wohl 7.500 bis 8.000 Personen durchgeschleust worden. Die hygienischen Verhältnisse waren entsprechend schlecht. Wanzenplagen waren die Folge. Es gab zu wenig Wasser und keine Kläranlage. So brach viermal Typhus aus und zweimal wurde über das Lager eine Quarantäne verhängt. Der Krankenstand war überdurchschnittlich hoch (bis zu 30 %).

Die Unterbringung so vieler Menschen auf so engem Raum verlangte nicht nur eine Lagerleitung mit einem Mitarbeiterstab, sondern auch ständige Kontrollen, dass die Hausordnung auch beachtet wurde. Die Lagerorganisation bestand aus dem Leiter, Heinz Gabrisch, selbst Vertriebener aus Oberschlesien, einer Lagerküche, mehreren Handwerkern sowie einem Sanitätsbereich mit einem Lagerarzt, Dr. Karl Platzek, zwei Krankenschwestern und einem Sanitäter. Die Heimatlosen waren meist in Gemeinschaftssälen untergebracht, oft nur mit einer Wolldecke von den Nachbarn getrennt, oder in Räumen mit 15 – 45 Personen in Stockbetten. Es gab praktisch keine Privatsphäre. Jung und Alt, Säuglinge und Kränkelnde, zerrissene Familien und Einzelgänger wohnten auf engstem Raum nebeneinander. Da waren Konflikte unvermeidbar, z. B. beim Beheizen der Öfen, für die das Brennmaterial im Wald beschafft werden musste, oder dem Saubermachen. Es fehlte an Schränken und Abstellflächen für die wenigen Habseligkeiten, die einem von den Vertreiberstaaten gelassen wurden (z. B. durften die Sudentendeutschen höchsten 50 kg pro Person mitnehmen). Ein großes Problem war auch das Wäschewaschen. Es gab ja weder selbsttätige Waschmittel noch Waschmaschinen. Das Trocknen und Bügeln war äußerst schwierig, Wäschediebstahl keine Seltenheit. Für viele Menschen, vor allem für alte, waren die Schikanen vor und die Strapazen bei der Vertreibung (z. B. im Winter in unbeheizten Viehwagen) zu groß. Sie sind dann im Lager – neben einem – gestorben.

Ein weiteres großes Problem war die Verpflegung dieser Mittellosen. Der Tagessatz lag bei 1.276 kcal – bestehend aus meist minderwertigen Lebensmitteln. Das hieß Hunger, was vor allem für die Kleinkinder ein ganz großes Problem war. Betteln und Gelegenheitsarbeiten bei den Bauern der Umgebung für ein paar Kartoffeln waren der Alltag. Die Lebensmittelkarten mussten für die Lagerküche abgegeben werden, von der man dann kostenlos verpflegt wurde. Diese wurde jedoch von allen als schlecht bezeichnet. Meist gab es nur Suppen.

Neben den Hunger trat die seelische Belastung: Wo ist mein Mann, mein Sohn? Wo finde ich eine Wohnung, eine Arbeit? Der Winter steht vor der Tür. Mein Kind ist krank und unterernährt. Woher ein Paar Schuhe für mein Kind? So kamen bei vielen Menschen neben dem Trauma des Heimatverlustes und gesellschaftlichen und beruflichen Abstiegs auch Depressionen dazu: Der Bürgermeister war Hilfsarbeiter, die Dozentin an der Lehrerinnenbildungsanstalt war Küchenhilfe, der Unternehmer war Steinbrucharbeiter usw. Nur wer Nichtraucher war, hatte bis zur Währungsreform 1948 die Möglichkeit, etwas gegen Zigaretten einzutauschen. Wertsachen oder Reichsmark hatte man selbst nicht mehr.

Erst allmählich besserten sich die Verhältnisse. Allerdings stieg auch die Verweildauer auf der Wülzburg ständig. 1948 hatte sich die Zahl der Lagerbewohner auf etwa 500 eingependelt. Jetzt war etwas mehr Platz, und es konnte auch eine zweiklassige Volksschule eingerichtet werden. Leiter war der spätere Rektor Emanuel Demel. Auch wurden regelmäßig katholische und evangelische Gottesdienste in der Burgkapelle angeboten oder Erstkommunion gefeiert. Das gesellschaftliche Leben entwickelte sich zusehends, je länger die Leute auf der Wülzburg bleiben mussten. So gab es Fußball- und Handballspiele, Chorsingen, Nikolausfeiern, Faschingsbälle, Sonnwendfeiern, Konzerte oder Filmvorführungen. Für die Alten wurde ein Altersheim eingerichtet, und später gab es sogar einen Wasch- und einen Baderaum, nicht üppig, aber schon ein gewaltiger Fortschritt, bis im Oktober 1952 das Lager aufgelöst werden konnte.

Durch das Lager Wülzburg hat der damalige Landkreis Weißenburg überdurchschnittlich viele Flüchtlinge und Heimatvertriebene aufgenommen, sie machten etwa 24 % der Bevölkerung aus. Diese gewaltige Zunahme hatte riesige Wohnungs- und soziale Probleme zur Folge. Es kamen aber meist gut ausgebildete, arbeitswillige, fleißige Menschen, von denen die Mehrzahl von sich aus versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. So stellten sich verhältnismäßig rasch große wirtschaftliche Erfolge ein, die bis heute die Region mitprägen. Und auch der kulturelle, gesellschaftliche und bildungspolitische Einfluss ist nicht zu unterschätzen.

Siehe auch: Dr. Dr. Friedrich Eigler, Adolf Hochmuth,Reiner Joppien, Dr. Otto Lehovec, Franz Liebl, Josef Lidl, Helmut Meier, Erwin Schulhoff, Haus Kaaden, Sudetendeutsche Landsmannschaft

Mahnmal an die Vertreibung nach dem 2. Weltkrieg


Quellen:

König, Walter: Flüchtlingslager Wülzburg. Ankunft und Integration der Heimatvertriebenen in Weißenburg, Weißenburg 1990 Frank, Rainer: Die Heimatvertriebenen im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, Weißenburg 1991 Berichte und Gespräche von Emanuel und Gerold Demel, Herbert Müller und Otto Stiepak (alle aus dem Sudetenland) und Josef Reinfuss (aus Alt Sandez, Südpolen) mit Ulf Beier.